Uwe Schoumakers ist freiberuflich als Unternehmensberater im Bereich Finance & Compliance tätig und verfügt über langjährige Expertise im Aufbau von Berichtsstrukturen und -prozessen sowie in der Implementierung von Compliance- und Internal-Control-Systemen. Als zertifizierter Experte im Nachhaltigkeits-Berichtswesen nach CSRD fokussiert er sich derzeit auf die Unterstützung von Unternehmen bei der Umsetzung dieser EU-Richtlinie.
Herr Schoumakers, starten wir zunächst mit den Basics: Was ist die CSRD?
Gerne. CSRD steht für die Corporate Sustainability Reporting Directive, welche seitens der EU-Kommission am 14. Dezember 2022 verabschiedet wurde. Es handelt sich also um eine regulatorische Vorgabe der Europäischen Union dahingehend, in welcher Weise Unternehmen in den Mitgliedsstaaten ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung ausgestalten sollen.
Und ab wann gilt die CSRD?
Wie der Begriff „Directive“ verrät, handelt es sich bei der CSRD um eine EU-Richtlinie, also eine Regelung, die nach Ablauf einer Frist von 18 Monaten in nationales Recht umgesetzt werden muss, um Gültigkeit für deutsche Unternehmen zu erlangen. Für die CSRD ist diese Frist Anfang Juli 2024 abgelaufen, ohne dass der vorliegende Entwurf des entsprechenden Richtlinienumsetzungsgesetzes (RUG) verabschiedet worden wäre. Die Verabschiedung ist bis heute nicht erfolgt und angesichts der derzeitigen politischen Lage rechne ich auch nicht damit, dass noch vor den Neuwahlen im Februar 2025 eine Umsetzung erfolgt.
Nach einem aktuellen, vom Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten, bleibt für deutsche Unternehmen deshalb im Moment der aktuelle Rechtsrahmen bestehen. Das bedeutet, dass Unternehmen derzeit nicht unmittelbar durch die CSRD verpflichtet sind.
Aber Vorsicht, sobald eine Umsetzung erfolgt ist, womit vermutlich in 2025 zu rechnen ist, wird die CSRD für laufende und zukünftige Geschäftsjahre anzuwenden sein.
Für welche Unternehmen ist die CSRD denn anzuwenden?
Insgesamt sind nach Schätzungen ca. 15.000 Unternehmen in Deutschland von der CSRD betroffen. Der Zeitpunkt der erstmaligen Berichtspflicht ist dabei zeitlich gestaffelt.
Bereits mit dem Geschäftsjahr, das am oder nach dem 01. Januar 2024 beginnt, besteht Berichtspflicht für kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern, die bereits nach „Non Financial Reporting Directive“ von der Berichtspflicht betroffen waren. Gleiches gilt für große Versicherungsunternehmen und große Kreditinstitute mit mehr als 500 Arbeitnehmern.
Ab dem Geschäftsjahr, das am oder nach dem 01. Januar 2025 beginnt, müssen dann auch alle anderen großen, haftungsbeschränkten Unternehmen berichten. Das sind solche mit einem Umsatz > Euro 50 Millionen, einer Bilanzsumme > Euro 25 Millionen und mehr als 250 Beschäftigten.
Es folgen dann noch ab dem Geschäftsjahr, das am oder nach dem 01. Januar 2026 beginnt, die Berichtspflicht für kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen. Hier sind die Schwellenwerte bei einem Umsatz von > Euro 15 Millionen, einer Bilanzsumme von > 7,5 Millionen und mehr als 50 Beschäftigten.
Für die genannten Größenklassen gilt, dass diese für ein Unternehmen anzuwenden sind, sobald in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren zwei von den drei Kriterien erfüllt waren. Abschließend gibt es dann noch einige Sonderregelungen z.B. für Unternehmen aus Drittstaaten, Tochterunternehmen oder kleine Unternehmen.
Welchen Zweck verfolgt die CSRD?
Durch die CSRD wird die nichtfinanzielle Berichterstattung der Unternehmen auf ein neues Fundament gestellt. Das Ziel ist, das Nachhaltigkeitsberichtswesen, so wie wir es vom Finanzberichtswesen seit langer Zeit gewohnt sind, zu einem standardisierten, vergleichbaren und eben auch verpflichtenden Teil des Jahresabschlusses zu machen.
Oder um es vereinfacht zu sagen: Nachhaltigkeitsberichtswesen ist keine Marketingkür mehr, sondern wird zur Pflicht.
Das klingt wie eine weitere bürokratische Hürde für Unternehmen in Deutschland, ohne unmittelbaren Unternehmensnutzen.
Ja, das wird von vielen so gesehen und die Position ist durchaus nachvollziehbar, wenn man sich den Umfang des Regelwerks betrachtet. Um den allgemeinen und speziellen Nutzen der Verordnung zu verstehen, möchte ich jedoch einen Blick auf die Historie und den Ursprung der CSRD richten:
Die CSRD soll auf die Umsetzung des EU-Green-Deals einzahlen, also der Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen in der Europäischen Union auf Null bis zum Jahr 2050. Dazu heißt es in einer Mitteilung der EU-Kommission aus 2018 mit dem Titel „Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ unter anderem, dass Kapitalflüsse auf nachhaltige Investitionen umgelenkt werden sollen.
Im Klartext: Banken und Investoren sollen in nachhaltige Geschäftsmodelle investieren.
Aber wie sollen Investoren diese Geschäftsmodelle ohne standardisierte, mess- und vergleichbare Nachhaltigkeitsinformationen erkennen? Genau das leistet die CSRD und trägt damit zum Erreichen des Green-Deal bei, indem Kapital bevorzugt in nachhaltiges Wirtschaften gesteuert wird.
Für Unternehmen bedeutet das: je nachhaltiger ihr Geschäftsmodell ist und je besser das aus dem eigenen Nachhaltigkeitsbericht erkennbar ist, umso größer sind die Möglichkeiten, Investoren und Finanzpartner zu finden.
Ok, verstanden. Demnach geht es bei der CSRD also hauptsächlich darum, die Finanzierungsmöglichkeiten zu verbessern?
Nein, denn das ist nur ein Hebel. Die EU-Kommission hat darüber hinaus berücksichtigt, dass die Offenlegung zuverlässiger, vergleichbarer und relevanter Informationen zu Risiken, Chancen und Auswirkungen von nachhaltigkeitsrelevanten Aspekten allen Stakeholdern dient.
Endkunden beziehen verstärkt Nachhaltigkeitserwägungen in ihre Kaufentscheidungen mit ein. Die Anbieter von Textilien, Fahrzeugen, Energie- und Wärmeanlagen oder Baumaterialien wissen dies z.B. längst und stellen sich entsprechend auf. Verbraucherorganisationen begleiten diese Entwicklung mit entsprechenden Tests und Empfehlungen.
Beschäftigte wollen sich mit ihrem Arbeitgeber identifizieren können und gerade junge Menschen haben dabei sowohl den Nachhaltigkeitsgedanken des Unternehmens im Allgemeinen als auch soziale Aspekte im Rahmen der Beschäftigung im Blick.
Die Öffentlichkeit und Politik besitzt ein sehr gutes Gespür dafür, welchen Beitrag Unternehmen für die Sozialgemeinschaft leisten.
Geschäftskunden und Lieferanten wissen, dass die CSRD die gesamte Wertschöpfungskette eines Unternehmens betrachtet und daher die nachhaltige Ausrichtung der Geschäftspartner die eigene Nachhaltigkeitsbilanz verbessert.
Ist es denn möglich, dass der jeweilige Wirtschaftsprüfer das Berichtswesen nach CSRD übernimmt?
Das Nachhaltigkeitsberichtswesen nach CSRD wird für die verpflichteten Unternehmen zu einem Pflichtbestandteil des Lageberichts. Da der Wirtschaftsprüfer keine Jahresabschlussberichte prüfen kann, an deren Erstellung er selbst mitgewirkt hat, ist es auch nicht möglich, den Nachhaltigkeitsbericht nach CSRD für das Unternehmen zu erstellen.
Es liegt also im Interesse eines Unternehmens, den Nachhaltigkeitsbericht selbst zu erstellen und sich dabei von fachkundiger Seite unterstützen zu lassen, damit der Wirtschaftsprüfer den kompletten Jahresbericht einschließlich des CSRD Teils prüfen kann. Dabei ist aus meiner Sicht nichts dagegen einzuwenden, wenn wesentliche Elemente des Berichts im Vorfeld mit dem Wirtschaftsprüfer abgestimmt werden, solange das Unternehmen die Entscheidungen dazu, was wie berichtet werden soll, selbst getroffen hat.
Im Gegenteil: da die CSRD und deren Berichtsstandards, die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), durchaus Interpretationsspielräume bieten, halte ich eine enge Abstimmung mit den Wirtschaftsprüfern sogar für unverzichtbar.
Was bedeutet das für die Umsetzung im Unternehmen? Welche Voraussetzungen und Kenntnisse werden benötigt und wen sollten man mit der Implementierung beauftragen?
Die Grundvoraussetzung ist aus meiner Sicht zuallererst das vollständige Commitment der Geschäftsleitung. Dazu ist es notwendig den oben beschriebenen Mehrwert eines überzeugenden Nachhaltigkeitsberichtswesens zu erkennen und als wesentlichen Treiber für die Umsetzung der CSRD im Unternehmen zu kommunizieren. Dieses intrinsisch motivierte „Warum“, das auf die nachhaltige Entwicklung des Unternehmens abzielt, wird die Akzeptanz der CSRD deutlich erhöhen und den damit verbundenen Implementierungsaufwand reduzieren.
Inhaltlich wird die CSRD sicherlich in den meisten Unternehmen der mit dem Nachhaltigkeitsmanagement beauftragten Person zugeordnet. Eine führende Beteiligung ist sicherlich auch notwendig. Allerdings halte ich es insbesondere in der Implementierungsphase für notwendig, jemanden mit in die Verantwortung zu nehmen, der sich mit der Implementierung von Berichtssystemen auskennt. Und selbstverständlich sind spezielle CSRD-Fachkenntnisse zwingend erforderlich.
Das klingt, als wäre die CSRD-Implementierung kein kleines Projekt. Welche Empfehlungen haben Sie dann zur Umsetzung?
Genau. Sicherlich ist es sinnvoll und möglich, die Umsetzung der CSRD in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße so schlank wie möglich zu halten, aber es ist auch kein „Wochenend-Projekt“, das man einer ohnehin ausgelasteten Ressource noch zusätzlich zuordnen kann.
Im Idealfall gibt es eine Projektleitung, welche sowohl Erfahrungen im Projektmanagement als auch CSRD-Fachkenntnisse mitbringt und die durch innerbetriebliche Nachhaltigkeitsmanager, sofern vorhanden, sowie Reportingspezialisten unterstützt wird. In der Vorbereitungsphase, in der die Projektorganisation, der Scope und der Zeitplan festgelegt werden, ist das zunächst ausreichend.
Spätestens wenn es in der zweiten Phase um die Wesentlichkeitsanalyse, ein Kernelement der CSRD, sowie um die Identifizierung der sogenannten IROs (Risks, Impacts, Opportunities) geht, werden zusätzlich zwingend Ansprechpartner aus den operativen Bereichen des Unternehmens wie zum Beispiel Einkauf, Personal und Vertrieb benötigt.
Last but not least sind in der Umsetzungsphase auch IT-Experten gefordert, die bei der Datenerhebung und Datenbereitstellung für das standardisierte, elektronische Berichtsformat helfen.
Unternehmensbezogene Ressourcen sind endlich! Wäre es bei dem zu betreibenden Aufwand nicht sinnvoll, insbesondere wenn erst zu einem späteren Zeitpunkt berichtet werden muss, die politische Entwicklung abzuwarten?
Kurz geantwortet: Nein! Der richtige Zeitpunkt das Projekt zu starten ist jetzt! Und zwar unabhängig von der Unternehmensgröße und dem Zeitpunkt der Berichtspflicht.
Wie zuvor geschildert ist die CSRD für deutsche Unternehmen nach Verabschiedung eines RUG auch für laufende Geschäftsjahre bereits bindend. Es ist daher, selbst für Unternehmen, die erst zu späteren Zeitpunkten betroffen sind, sehr empfehlenswert, sich bereits heute mit der Richtlinie und deren Umsetzung im Unternehmen zu beschäftigen.
Nehmen wir an, ein Unternehmen wird mit dem Geschäftsjahr 2026 berichtspflichtig, so muss es spätestens am 01. Januar 2026 damit beginnen, die relevanten Daten einzusammeln und zu verarbeiten. Bedeutet: die Struktur und die Prozesse müssen zu diesem Zeitpunkt funktionsfähig sein. Um dies zu gewährleisten, sollte ein entsprechendes Projekt schnellstmöglich gestartet werden.
Herr Schoumakers, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Die Fragen stellte Dr. Philip Wenger, Geschäftsführender Gesellschafter der expertalis GmbH.